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Geschichte
des Hauses Schloßtreppe 1
Die wechselvolle Geschichte des Hauses
„Schloßtreppe 1“
Zum Gebäude:
Der hintere Teil des heute sichtbaren Hauses, sowie das links daneben stehende, gehörten ursprünglich zusammen. Sie sind beide gotischen Ursprungs. Das Holz von beiden ist „1418 geschlagen und saftfrisch“[1] verbaut worden.
Der Keller des Gebäudes „legt die Vermutung nahe, dass es bereits der Keller eines älteren, breiteren Vorgängerbaus sein könnte“[2], zu der auch eine „vermauerte Toreinfahrt gehörte.“[3] Darauf war eine doppelstöckige Halle gebaut mit 4 darüber liegenden Obergeschossen. „In jedem Geschoss gab es einen großen Raum zum Marktplatz hin und 2 rückwärtige Kammern.“3 Hinter der ebenerdigen Doppelstockhalle befand sich ein Raum, „von dem aus die gesamte Halle überblickt werden konnte.“3
„Eine Kellereinfahrt vom Markt“3, ein weit vorstehendes „Giebelgeschoss […], geeignet für Lastentransporte“ mittels „Kran, der jeweils große Raum in den drei“ oberen Stockwerken, nebst den beiden Hinterstuben, die sich als Warenmagazin eigneten und die Doppelstockhalle mit Aufsichtsplatz, lassen auf eine Kaufmannsniederlassung schließen. Das Haupthaus Richtung Markt diente als Speicher und das Nebengebäude an der Schloßtreppe als Wohnhaus.
Die verschiedenen Eigentümer
Bis heute weiß man nicht, für wen das 1418 errichtete gotische Gebäude ursprünglich erstellt worden ist.
- Für 1490 lässt sich anhand einer Zinszahlung für das Kloster Haina ein „Balthasar von Sassen“ nachweisen. 1497 erbten seine Witwe und sein Sohn das Haus, der es bis zu dessen Tod 1518 bewohnte. Danach erbten seine Schwiegersöhne Johann Hirtzberger und der Marburger Rentmeister Ludwig Ort das Anwesen
- „Von 1531 bis 1538 werden als Zinszahler die Baltzern von Gossfelden genannt“[4], die Erben des Balthasar von Sassen.
Weitere nachgewiesene zins- und steuerzahlende Eigentümer:
- Hofgerichtsadvokat und Prokurator Jakob Salwechter.
- Nach 1562 zahlen Salwechters Erben die Grundsteuer an die Stadt und den Zins nach Haina.[5]
- „Ab 1570 zahlt Dr. Georgius Marius“5, Medizinprofessor, mit geburtsurkundlichem Namen Georg Meyer aus Würzburg, den Zins an Haina und von 1571 bis 1575 die Grundsteuer an die Stadt Marburg.
- Der Apotheker Matthäus Schrodt, „stadtbekannt als Apotheker Debes“[6], zahlte 1578 1 Pfund und 7 Schillinge Steuer an die Stadt, in der er bis 1625 lebte. Im Jahre 1578 hat der Apotheker „einen Vorbau vor die Südfassade gesetzt.“6 Wie die noch heute über der Haustüre ablesbare Jahreszahl „1578“ ausweist, gehört sie zu einem Renaissance-Vorbau, der 3 m vor den gotischen Giebel gesetzt wurde. Darüber hinaus besaß „dieser Vorbau einen rechteckigen Erker, der vom ersten Stockwerk bis an das Dachgeschoss reichte.“[7] Der Erker musste wahrscheinlich schon nach einigen Jahrzehnten entfernt werden, weil sich durch sein Gewicht die Fassade in Richtung Markt immer stärker neigte und umzustürzen drohte. Die Neigung des mittelalterlichen Ständerbaus bergab in Richtung Markt ist heute noch an der Ostwand erkennbar.“7
- „Von 1625 bis 1645 […] besaß ein Aegidius Schrodt […] das Haus“6 und benutzte es als Apotheke.
- Fast zum Ende des 30-jährigen Krieges übernahm der Apotheker Matthäus Schrodt das ererbte Anwesen und zahlte Steuern und Zins bis 1664. 1645 wurde Marburg „von den Truppen Hessen-Kassel eingenommen.“[8] Der „Kasseler Kriegsrat Valentin Goddäus“ hat „während dieser Zeit im Hause Schloßtreppe 1 Quartier genommen und soll […] von der Witwe des Aegidius Schrodt grob und unfreundlich behandelt worden sein.“8
- „1684 übernahm der Stadtphysikus und Arzt Dr. med. Johann Helferich Schrodt durch Erbvergleich mit seinen Geschwistern die völlig verschuldete Apotheke seines Vaters.“[9]
- Von 1702 bis 1735 zahlte die Witwe Schrodt Grundsteuer an die Stadt und Zins an Haina.
- 1736 bis 1741 beglich der Gerichtsadvokat und Prokurator Dr. Siegmund Wlöm, ein Verwandter der Witwe Schrodt, geb. Wlöm, die Steuer- und Zinsschuld für das Gebäude.
- Nach 1742 zahlten die Erben der Familien von Schrodt-Wlöm, der Regierungsregistrator Jakob Köhler und der Chirurg Johann Dietrich Zins und Steuer. Von 1752 bis 1769 tat dies Johann Christoph Dietrich.
- 1769 erwarb die Witwe des Handelsmannes und Weinhändlers Martin Ludwig Wisker, Katherine Elisabeth, geb. Bücking das Haus nach dessen Verkauf durch den Vorbesitzer. Sie behielt es bis zu ihrem Tod 1790.
- 1790 wurde das Haus zum Verkauf angeboten und für 2.055 Gulden von dem Schreiner Sebastian Ulmer ersteigert.
- 1793 kaufte das Anwesen für 2.500 Gulden der Knopfmacher Johann Heinrich Anton Zimmermann.
- 1824 bis 1849 lebte die Witwe Elisabeth Zimmermann bis zu ihrem Tod „mit ihren noch unmündigen Kindern“[10] in dem Haus.
- 1849 erwarb es dann der Zimmermeister Heinrich Schmidt von den vier noch lebenden Kindern der verstorbenen Witwe Zimmermann und bewohnte es bis 1853.
- „Für 1.650 Taler ersteigerte der Marburg Kaufmann und Ratsherr Carl Majerus“[11] die Hälfte des Hauses von der Witwe Schmidt.
- 1855 besaß der Aktuar Pfeiffer das Anwesen.
- 1861 übernahm der Kaufmann Majerus das Haus und vermietete es.
- 1891 erhielt die Kusine von Majerus, die ledige Christina Friedrika Gerlach aus Trier, das Haus, das bereits wieder 1892 von dem Samenhändler Georg Friedrich Haubensack für 1.800 Goldmark angekauft wurde. Er richtete dort seine Samenhandlung ein.
- 1926 kam das Haus in den Besitz der Stadt Marburg, die den o. g. Laden zuerst an einen Uhrmacher vermietete, anschließend an einen Buchdrucker, der bis zu seinem Tode darin wohnte. Danach lebten noch zahlreiche andere Mieter in dem Gebäude bis es von 1975 bis 1980 die Stadt Marburg für Millionen Mark entkernen und sanieren ließ.
Ab 1980 wohnen in den oberen Stockwerken mehrere Mietparteien. In der doppelstöckigen Halle im Erdgeschoss befindet sich seitdem das Lokal „Weinlädele“. 2015 feierte das Weinlädele sein 35-jähriges Bestehen. Heute ist das Gebäude im Besitz der Familie Leibl.
[1] Dickmann, Friedrich (Hrsg.): Kleine Schriften zur Marburger Stadtgeschichte: Schloßtreppe 1 – Die wechselvolle Geschichte eines bedeutenden Anwesens; zusammengestellt von Fowler, A.; Ritter, M.; Dickmann, F.; Nikolaiverlag Aken/Elbe, 2006, S. 10
[2] a. a. O., S. 11
[3] a. a. O., S. 15
[4] a. a. O., S. 22
[5] a. a. O., S. 26
[6] a. a. O., S. 26
[7] a. a. O., S. 17
[8] a. a. O., S. 32
[9] a. a. O., S. 36
[10] a. a. O., S. 49
[11] a. a. O., S. 50